Präsentismus - Arbeiten trotz Krankheit steigt an
In Deutschland arbeiteten im Jahr 2024 viele Beschäftigte trotz Krankheit, wobei knapp zwei Drittel der Arbeitnehmer*innen betroffen sind. Eine Auswertung des DGB-Index Gute Arbeit zeigt, dass dieses Verhalten in den letzten drei Jahren zugenommen hat.
Während der Pandemie ging der Anteil der krank arbeitenden Personen zurück, da viele ihr Verhalten änderten, um ihre Gesundheit und die ihrer Kollegen zu schützen.
Nach der Pandemie ist jedoch ein Anstieg des Präsentismus zu beobachten, der wieder auf das Niveau vor der Pandemie gestiegen ist.
Die zentralen Ergebnisse sind:
- Das 63 Prozent der Befragten gaben an, in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens einmal gearbeitet zu haben, obwohl sie „sich richtig krank gefühlt“ haben
- 44 Prozent aller Befragten haben mehr als eine Woche krank gearbeitet
- Der Anteil der Frauen (67 Prozent), die trotz Krankheit gearbeitet haben, liegt über dem der Männer (59 Prozent)
- Die Berufsgruppen, in denen Arbeitnehmer*innen am häufigsten trotz Krankheit arbeiten, sind Reinigungsberufe, Lehr- und Erziehungsberufe sowie Gesundheitsberufe
- Arbeitsverdichtung und hohe Arbeitsbelastungen sind ein Treiber für Präsentismus
- Erfahren Arbeitnehmer*innen Wertschätzung, Unterstützung und ein offenes Meinungsklima, arbeiten sie deutlich seltener krank als diejenigen, die von einer belastenden Betriebskultur berichten
- Arbeitnehmer*innen, die über eine sichere Beschäftigungsperspektive verfügen, arbeiten seltener krank als solche, die sich um den Verlust ihres Arbeitsplatzes sorgen
- Arbeiten trotz Krankheit erhöht das Risiko von Fehlern und Unfällen und kann die Produktivität beeinträchtigen
Die Daten zeigen, dass Präsentismus häufig auf hohe Arbeitsbelastung, eine schlechte Betriebskultur und Sorgen um die Arbeitsplatzsicherheit zurückzuführen ist. Beschäftigte arbeiten oft trotz Krankheit, um ihre Arbeitslast zu bewältigen oder um Nachteile zu vermeiden. Gute Arbeitsbedingungen sind daher entscheidend für den Gesundheitsschutz und die Genesung der Beschäftigten.
Die Entscheidung von Arbeitnehmer*innen, trotz Krankheit zu arbeiten, hängt stark von den Arbeitsbedingungen ab. Es zeigt sich, dass eine höhere Arbeitsbelastung die Wahrscheinlichkeit erhöht, krank zu arbeiten. Insbesondere erleben Beschäftigte, die eine Arbeitsverdichtung wahrnehmen, einen signifikanten Rückgang derjenigen, die nie krank gearbeitet haben –
von 48 Prozent ohne Verdichtung auf nur 22 Prozent bei starker Verdichtung. Zudem steigt die Dauer des Präsentismus mit zunehmender Arbeitsverdichtung:
Während 35 Prozent der Beschäftigten ohne Verdichtung angeben, eine Woche oder länger krank gearbeitet zu haben, sind es in der stark betroffenen Gruppe bereits 67 Prozent.
Als weiterer Punkt spielt die Arbeitsplatzsicherheit eine wichtige Rolle. Es besteht hier ein klarer Zusammenhang mit Präsentismus.
Etwa 15 Prozent der Beschäftigten gaben an, sich häufig um ihren Arbeitsplatz zu sorgen. Diese Arbeitnehmer*innen arbeiten deutlich öfter krank, wobei 81 Prozent von ihnen angaben, in den letzten zwölf Monaten eine Woche oder länger krank gearbeitet zu haben. Im Gegensatz dazu waren es nur 42 Prozent derjenigen, die sich selten oder nie um ihren Arbeitsplatz sorgten.
Eine hohe Identifikation mit der Arbeit führt nicht zu mehr krankheitsbedingtem Arbeiten. Tatsächlich arbeiteten 67 Prozent der Beschäftigten mit geringer Identifikation trotz Krankheit, während es in der Gruppe mit starker Identifikation nur 62 Prozent waren.
Dies deutet darauf hin, dass die Entscheidung, krank zu arbeiten, eher von den betrieblichen Bedingungen als von individueller Motivation abhängt.
Die betrieblichen Bedingungen haben einen erheblichen Einfluss darauf, ob Beschäftigte trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen. Positive betriebliche Bedingungen führen dazu, dass 48 Prozent der Beschäftigten nicht krank arbeiten, während dieser Anteil bei belastenden betrieblichen Bedingungen auf nur 19 Prozent sinkt. Zudem zeigt sich, dass bei einer positiven Bewertung nur 30 Prozent der Beschäftigten fünf Tage oder mehr krank gearbeitet haben, während dieser Anteil bei negativer Bewertung auf 69 Prozent ansteigt.
Das Arbeiten trotz Krankheit birgt Risiken, wie die Verschleppung von Krankheiten, auch Ansteckung anderer und eine Verschlechterung des eigenen Gesundheitszustands, was zu längeren Krankheitszeiten führen kann.
Auch für Unternehmen entstehen somit durch das Arbeiten bei Krankheit Kosten, da Präsentismus das Risiko von Fehlern und Unfällen erhöht, die Produktivität beeinträchtigt und mögliche längere Ausfallzeiten Kosten verursachen.
Gute betriebliche Bedingungen fördern einen respektvollen und verantwortungsvollen Umgang und ermöglichen es so den Mitarbeitenden, sich im Krankheitsfall zu erholen - das ist unser Ziel.